Johannes Müller (1792-1871) kommt aus Hildebrandshausen im Eichsfeld nach Münster. Zusammen mit seiner Ehefrau Friederika Cramer aus Brilon betreibt er eine Altbierbrauerei und Bäckerei mit Sch0koladenfabrikation in der Kreuzstrasse. 1830 erhält er den Bürgerbrief der Stadt Münster und kauft wenig später das Grundstück und die Gebäude.
© Institut für vergleichende Städtegeschichte – IStG – gGmbH
Entnommen aus: Tatort Domplatz, hg. i.A. des Instituts für vergleichende Städtegeschichte v. Mechthild Siekmann, Münster 2009
Quelle: Stadtarchiv Bad Homburg v.d. Höhe
Als Nachfolger des Brauereigründers Johannes erlernt auch Sohn Carl das Brauer- und Bäckerhandwerk, gibt jedoch die Bäckerei auf und errichtet an gleicher Stelle eine Mälzerei. Zahlreiche Altbierbrauer der Stadt beziehen ihr Braumalz nun aus der Müllerschen Mälzerei. Ehefrau Franziska, genannt Fanny, stammt aus der Brauerei der Familie Tenckhoff in der Nachbarschaft. Sie versorgt die Gäste in der Altbierküche. Brauerei, Mälzerei und Gastwirtschaft erleben in diesen Jahren einen guten Aufschwung, werden modernisiert und weiter ausgebaut.
Die Brauerfamilie Müller in der 3. Generation: Vater Johannes und seine Frau Maria mit den Söhnen Carl (später Pinkus genannt) und Julius im Jahre 1920.
In Münster wird um die Jahrhundertwende der Bau einer funktionierenden Kanalisation vorangetrieben, was sich sehr auf die hygienischen Bedingungen auswirkt. Bislang ging man zum Bierbrauer um die Ecke und holte einen Krug Bier, denn das Wasser aus den Brunnen war meist verseucht und ungenießbar.
Viele der einst über 150 Altbierküchen der Stadt stellten in dieser Zeit den Betrieb ein. Nicht jedoch die Altbierbrauerei der Familie Müller; die Geschäfte laufen gut in der Kreuzstraße. Die Leute gehen gerne auf ein gutes Altbier in die „Norddeutsche Bierhalle“, wo sich auch Dichter, Sänger und Musiker in der „Musikalischen Deutschen Ecke“ treffen. In diese Zeit hinein wird am 19. Februar 1899 Carl Müller als Stammhalter der 4. Generation geboren. Als der singende Bierbrauer wird er später weit über die Grenzen Münsters bekannt sein.
Carl Müller beginnt, nachdem die Schullaufbahn an Münsters Domgymnasium wenig erfolgreich verläuft, eine Brauerlehre im elterlichen Betrieb. In dieser Zeit erhält er auch seinen Spitznamen. Die stadtbekannte Geschichte, wie er zum Namen „Pinkus“ kam, wird wahrheitsgetreu auch heute noch so erzählt:
Auf einem nächtlichen Ausflug widmet er sich zusammen mit zwei Mitschülern einem „Bullenkopp“, einem sechs Liter fassenden Krug Altbier. Nach fortgeschrittenem Genuß der Hausspezialität überkommt die vermutlich ausgesprochen lustige Gesellschaft ausgerechnet auf der Promenade kollektiv ein dringendes menschliches Bedürfnis, woraus sie stante pede einen sportlichen Wettkampf entwickelt:
Als Ausgangsposition gibt es auf der einen Seite ein kleines Mäuerchen, auf der anderen eine brennende Gaslaterne, eine NOCH brennende Gaslaterne... Der offizielle Titel des Gewinners verkürzt sich im Laufe der Zeit zu „Pinkus“. Der Bezeichnete lässt den Namen später sogar in seinen Pass eintragen, denn „Carl Müllers gibt’s so viele, Pinkus ist einmalig!“. 1923, nach Lehr- und Gesellenzeit an der Seite seines Vaters, geht Pinkus nach München und erwirbt hier zwei Jahre später sein Braumeister- Diplom. Nebenbei schult er ohne das Wissen seiner Eltern sein Talent als Operntenor...
Die ersten Jahre nach seinem Studium widmet Pinkus gleichermaßen der Brauerei und der Sangeskunst. Im Februar 1928 heiratet er Regina Holtkamp, Tochter des Gastwirts Hermann Holtkamp aus Münster. Mit ihr hat er später fünf Kinder.
Nach erfolgreichen Auftritten im Radio - Pinkus war zugegen bei der Gründung des WDR in Münster - und an den städtischen Bühnen in Münster beendet er schließlich seine Karriere als Tenor. Fortan engagiert er sich hauptsächlich und mit ganzem Herzen in der Brauerei, in der Altbierküche und als Familienvater.
Mit viel Liebe wird unter Pinkus’ Führung die Bierbrauerei und vor allem die Altbierküche renoviert und modernisiert. Sein Ruhm als Altbier- und Tenortönebrauer kommt besonders der Bekanntheit und Beliebtheit der Gaststätte zugute.
Doch sein Einsatz geht dabei weit über die Belange der Firma hinaus: Pinkus wird dreimal in Folge Karnevalsprinz, er setzt sich nach dem Krieg für den Wiederaufbau der Stadt ein und stiftet seinen Beitrag für den Aufbau des Freilichtmuseums „Mühlenhof“ in Münster. Und die Gäste in der Altbierküche sind immer wieder dankbar für eine Kostprobe aus seinem Gesangsrepertoire.
Im Alter von knapp 15 Jahren beginnt Pinkus’ erstgeborener Sohn Johannes Hermann, genannt Hans, eine Brauerlehre im elterlichen Betrieb. Seine Gesellenzeit führt ihn anschließend zu Brauereien in Uslar und Dortmund, wo er sich weiteres praktisches Wissen aneignet.
1952/53 verbringt er in München. Hier legt er wie zuvor sein Vater an der Doemensschule sein Diplom als Braumeister ab.
Zurück in Münster macht sich Hans Müller gleich daran, das Gelernte im eigenen Betrieb umzusetzen. Der Einsatz von Kühlmaschinen und damit die Möglichkeit, auch untergäriges Bier zu brauen,
ist der Auftakt einer Reihe von technischen Verbesserungen... 1961 heiratet er Annemarie Link, Brauerstochter aus Möhringen. Sie führt später die Altbierküche. Bald stehen die Töchter
Christiane, Annette und Barbara den Eltern tatkräftig zur Seite.
Der erste Sud mit Malz aus biologischem Anbau wird eingemaischt. Hans Müller ist so begeistert von der Qualität des Bio-Gerstensaftes, dass er beschließt, an dieser Idee festzuhalten.
Kontinuierlich stellt er seinen Betrieb auf Rohstoffe aus kontrolliertem Bio-Anbau um. Gleichzeitig beginnt der Bierexport nach Übersee und ins europäische Ausland: Müllers westfälische
Bierspezialitäten gibt es zunächst in den USA, später - als Bio-Biere - in England, Frankreich, Italien, Holland und Spanien. Seit 1994 findet man Pinkus Organic auch in Japan.
Zur Sicherung der Rohstoffversorgung wird 1988 ein Verarbeitervertrag mit Bioland geschlossen. Hans Müller ist maßgeblich an der Entwicklung der Bioland-Braurichtlinien beteiligt, die später auch von anderen Verbänden übernommen werden. 1991 kann endlich die gesamte Bierproduktion der Brauerei Pinkus Müller auf Bio-Rohstoffe umgestellt werden.
Nach ihrem Studium an der Fakultät für Brauwesen in Freising bei München kehrt Barbara Müller, die jüngste Tochter von Hans und Annemarie Müller, als Diplom- Braumeisterin heim nach Münster
und steigt in die Geschäftsführung ein. In den folgenden Jahren übernimmt sie die Brauerei und die Altbierküche. Zusammen mit ihrem Ehemann, dem Brauereiingenieur Friedhelm Langfeld aus
Bocholt, sorgt sie an der Seite ihrer Eltern und guten Mitarbeitern für das Wohl der Gäste und zufriedene Bierkunden in aller Welt.
Der anhaltende Bio-Boom und das erfolgreiche Exportgeschäft beflügeln die Geschäfte der Brauerei enorm. Der angestammte Standort in Münsters Altstadt wird zu eng, so dass die Familie Überlegungen anstellt, wie der steigenden Nachfrage nachgekommen werden kann. 1992 kauft Hans Müller in Laer im benachbarten Kreis Steinfurt ein Baugrundstück zur Errichtung einer neuen Abfüll- und Lagerhalle.
Ende 1993 wird hier eine neue Abfüllanlage für Flaschenbier in Betrieb genommen. Es folgen der Bau eines Gästehauses und schließlich 2004 die Errichtung einer zweiten Halle, um auch Sudhaus- und Lagerkellerkapazität der Brauerei zu erweitern. Seit 2006 wird nun auch in Laer gebraut. Das Herz der Brauerei schlägt weiterhin in Münster, wo auch in Zukunft die besonderen Bierspezialitäten gebraut werden. Hier lebt die Familie und heißt weiterhin Gäste aus aller Welt willkommen.